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Große Becken sind keine Lösung

Die GRÜNE LIGA beantwortet Fragen des MDR zu den Hochwasserrückhaltebecken Mulda und Oberbobritsch.

Eingangs sei gesagt, dass das Planungsverfahren für die HW-Rückhaltebecken nicht abgeschlossen ist. Die Stellungnahmen  der Träger der öffentlicher Belange (dazu gehören auch die anerkannten Naturschutzverbände) bei Planungsverfahren haben das Ziel, die Planung insgesamt zu verbessern und sind ein vom Gesetzgeber gewollter Teil des Verfahrens. Von einer Verzögerung des Verfahrens durch “Einwender” wie Sie es formuliert haben  kann deshalb keine Rede sein.

Zu Ihren Fragen:

– Aus welchen Gründen lehnen Sie den Bau der Rückhaltebecken Mulda und Oberbobritzsch ab?

Die Standorte der Rückhaltebecken in der Dimension von Talsperren befinden sich in den Kernbereichen von FFH-Gebieten. Diese FFH-Gebiete wurden vom Freistaat Sachsen der Europäischen Union in den Jahren 2002 bis 2004 als Teile des europäischen Naturschutzgebietssystem gemeldet. FFH-Gebiete dienen also dem Naturschutz und sind nicht als Baulandreserve der Zukunft einzuordnen. Entsprechend sieht der Gesetzgeber bei Eingriffen in diesen Schutzgebieten nur einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum, der insbesondere auch die intensive Prüfung aller Alternativen umfassen muß. Die anerkannten Naturschutzverbände stehen satzungsgemäß für den Schutz der Natur ein. In den vorliegenden Vorgängen wird eingeschätzt, dass die Planungen den gesetzlichen Vorgaben widersprechen und insbesondere die Alternativenprüfung dem hohen Schutzstatus der geplanten Standorte nicht gerecht wird. Für weitere vertiefende Informationen verweisen wir auf die Stellungnahmen in den lfd. Planfeststellungsverfahren.

– Welche Art von Hochwasserschutz wäre Ihrer Meinung an den beiden Orten nötig und aus Ihrer Perspektive umsetzbar?

Notwendig ist ein  Hochwasserschutz der die gesamte Fläche umfasst und sich nicht auf Einzelstandorte in wenigen Tallagen beschränkt. Niederschlag muß unmittelbar vor Ort zurückgehalten werden. In diesem Sinne sind die wegen landwirtschaftlicher Nutzungsintensivierung in den letzten Jahrzehnten durch Melioration/Drainage zerstörten Quellgebiete der Gewässer 2. Ordnung zu renaturieren und damit das Wasserrückhaltevermögen des Bodens wieder herzustellen. Entwässerungsgräben im Wald, angelegt um nicht standortgerechte Baumarten pflanzen zu können, sind ebenfalls zurückzubauen. Waldmehrung, kleine dezentrale Hochwasserrückhaltebecken in bisher landwirtschaftlich genutzten Geländemulden und nicht zuletzt der Rückbau von baulichen Anlagen (Ufermauern, Gebäude) zur Aufweitung des Gewässerprofils an den Gewässern sind weitere wichtige Maßnahmen, die geeignet sind, Hochwasser weitgehend schadlos abfließen zu lassen. Wenn der Freistaat Sachsen mit dem so beschriebenen Planungsansatz agieren würde, wäre z. B. auch das Hochwasserereignis oberhalb des geplanten Staubauwerkstandortes Oberbobritzsch in den Ortslagen Friedersdorf, Hartmannsdorf und Kleinbobritzsch zu minimieren gewesen.

– Warum war bisher eine Einigung mit den lokalen und überregionalen Entscheidungsträgern bezüglich der Rückhaltebecken nicht möglich?

Das rechtsstaatliche Planungsvorhaben läuft. Insofern steht ein weiterer Austausch der Behörden mit allen beteiligten Interessenvertretern noch bevor. Im Übrigen sind unserem Naturschutzverband keine Initiativen von lokalen bzw. überregionalen Entscheidungsträgern bekannt, die , wie Sie so schön formulierten, “eine Einigung” zum Inhalt gehabt hätten.  Sicherlich ist aber bereits verfahrensrechtlich keine “Einigung” notwendig, da unser Naturschutzverband weder Planungsträger noch Verfahrensführer ist und lediglich als Träger öffentlicher Belange angehört wird.

– Weshalb waren Sie in der jetzigen Krisensituation für die Betroffenen nicht erreichbar und/oder haben auch auf Bitten, beim Hochwasserschutz aktiv zu helfen nicht, bzw. ablehnend reagiert?

Zunächst ist festzuhalten, dass an die Grüne Liga Sachsen e.V. “in der jetzigen Krisensituation” keine Bitten von Betroffenen herangetragen wurden. Darüber hinaus ist unser Naturschutzverband nicht als Katastrophenschutzeinrichtung aufgestellt. THW, Feuerwehr und Landestalsperrenverwaltung sind hier die richtigen Ansprechpartner. Deshalb haben sich die Hilfesuchenden wohl richtigerweise an diese Institutionen gewandt.
Mitglieder  der GRÜNEN LIGA Sachsen waren natürlich auch  selbst vom Hochwasser betroffen bzw. haben bei Evakuierungen und Aufräumarbeiten geholfen.

– Was sagen Sie den betroffenen Flussanrainern – hier geht es ja nicht nur um Betroffene in den unmittelbar an den geplanten Rückhaltebecken liegenden Orten, sondern auch um Menschen, die weiter unterhalb wohnen (z.B. Roßwein, Döbeln, Nossen, Grimma) und von den Becken profitiert hätten?

Wie die Hochwasserereignisse der letzten Jahre gezeigt haben, stellt der ungebremste Abfluss der Gewässer 2. Ordnung aus den ausgeräumten, intensiv genutzten Agrarfluren bei Rosswein, Döbeln, Nossen, Rosswein usw. ein hohes Schadenspotential dar (siehe Winterhochwasser 2011, Überflutung von Teilen Döbelns durch den Amselgrundbach am 31.05.2013, Überfluten des Mühlplatzes in Rochlitz 2012 und 2013 durch einen Bach, der wegen der neuen Hochwasserschutzmauer nicht schadlos in die Mulde abfließen konnte).

Notwendig ist ein  Hochwasserschutz der die gesamte Fläche umfasst und sich nicht auf Einzelstandorte in wenigen Tallagen beschränkt. Niederschlag muß unmittelbar vor Ort zurückgehalten werden. In diesem Sinne sind die wegen landwirtschaftlicher Nutzungsintensivierung in den letzten Jahrzehnten durch Melioration/Drainage zerstörten Quellgebiete der Gewässer 2. Ordnung zu renaturieren und damit das Wasserrückhaltevermögen des Bodens wieder herzustellen. Entwässerungsgräben im Wald, angelegt um nicht standortgerechte Baumarten pflanzen zu können, sind ebenfalls zurückzubauen. Waldmehrung, kleine dezentrale Hochwasserrückhaltebecken in bisher landwirtschaftlich genutzten Geländemulden und nicht zuletzt der Rückbau von baulichen Anlagen (Wehre, Ufermauern, Gebäude) zur Aufweitung des Gewässerprofils an den Gewässern sind weitere wichtige Maßnahmen, die geeignet sind, Hochwasser weitgehend schadlos abfließen zu lassen.

Das Hochwasserereignis 2013 hatte eine Dimension, die berechtigte Zweifel daran aufkommen lässt, dass selbst bei Fertigstellung aller Hochwassermauern und gesetzt den Fall, die Planfeststellungsverfahren zum Bau von zwei Staubauwerken in Oberbobritzsch und Mulda wären abgeschlossen und deren Bau vollendet, eine Überflutung der Anrainer verhindert worden wäre. Jede Stauanlage hält so lange bis sie bricht (siehe Witka-Stausee 2010) oder überläuft (siehe Talsperre Eibenstock 2013). Wer möchte die Verantwortung übernehmen, wenn beim nächsten Hochwasser selbst mit Staubauwerken und Ufermauern die Flussanrainer überschwemmt werden, die im Vertrauen auf eben diese “Schutzmaßnahmen” sich in Sicherheit wiegten?

– Wie werden Sie bezüglich der Rückhaltebecken weiter vorgehen – stehen Sie zu Ihrer bisherigen Einschätzung der Situation?

Wir werden unseren Wunsch nach einem flächenhaften Hochwasserschutz, der ja auch von anderen Verbänden und Organisationen getragen wird, weiter im Planungsprozess qualifizieren und vertreten.

– Nach der jetzigen Flut wird vielerorts ein schnelleres und härteres Abwägen von Hochwasserschutz versus Naturschutz gefordert – wie stehen Sie dazu?

Die GRÜNE LIGA Sachsen würde einen schnelleren Abwägungsprozess sehr begrüßen. Der Naturschutz ist sicherlich nur ein kleiner, wenn auch gewichtiger und bedeutsamer öffentlicher Belang, der zu berücksichtigenden Interessen: Kommunen planen Wohn- und Gewerbebiete,  wo das Land Hochwasserschutz plant. Straßen-, Schienen-, Gas- und Stromleitungsplanungen müssen abgestimmt werden. Landwirte beharren auf ihren Flächen. Gewerbetreibende haben eigene Vorstellungen zur Nutzung der Flächen.
Obwohl Klagen bei Hochwasserschutzvorhaben keine aufschiebende Wirkung haben, wäre ein verkürzter Klageweg im Interesse aller. Die erste Instanz könnte aus unserer Sicht entfallen, da es sich bei den allermeisten HW-Schutz-Bauten um Landesvorhaben handelt, wäre aus Sicht der GRÜNEN LIGA eine rechtliche Klärung ab dem Oberverwaltungsgericht ausreichend.

Die Diskussion um einen sinnvollen Hochwasserschutz in Sachsen ist seit der Flut 2002 nie abgerissen. Im Herbst 2010 wies die „Allianz für Sachsens Flüsse“ zu öffentlich auf die Defizite der sächsischen Hochwasserschutzpolitik hin. Viele der Argumente haben sich leider auch 2013 wieder bestätigt.(siehe Hochwasserschutz in Sachsen)

Video: Frontal 21 – Die große Flut – Mängel beim Hochwasserschutz 11.06.2013

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