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Presseinformation Pro Naturschutz Sachsen e.V.

Hellviolett blüht der Enzian im Vogtland wieder

Erster Erfolg beim Arterhaltungsprojekt für den Sächsischen Fransen-Enzian des Pro Naturschutz Sachsen e.V. Kaum zu glauben und dann Riesen-Freude, dies waren die ersten Reaktionen von Annette Zimmermann, vom Botanischen Garten Schellerhau, Ilona Grimm von der Unteren Naturschutzbehörde des Vogtlandkreis und Wolfgang Riether von der Naturschutzvereinigung Pro Naturschutz Sachsen e.V., als sie bei ihrem Kontrollgang die ersten Blüten des Sächsischen Fransen-Enzians entdeckten. Vier Jahre intensive Projektarbeit haben die ersten Früchte, d.h. Blüten getragen. Hinter diesem Augenblick steht eine spannende Geschichte. Erst 1980 stellte der verdienstvolle sächsische Botaniker Prof. Werner Hempel bei genaueren Untersuchungen des vorhandenen Herbarmaterials aus Sachsen fest, dass die sächsischen
Populationen des Deutschen Fransen-Enzians (Gentianella germanica (WILLD.) BÖRNER) eine eigene Unterart bilden, die er dann 1981 als Sächsischer Fransen-Enzian (Gentianella germanica (WILLD.) BÖRNER ssp. saxonica HEMPEL) neu beschrieb. Damit wurde diese
Unterart zu einem Zeitpunkt entdeckt, als diese Sippe bereits als ausgestorben galt. 1990 konnte dann in einem später unter Schutz gestellten Gebiet im ehemaligen Grenzstreifen im jetzigen Vogtlandkreis durch den bekannten vogtländischen Botaniker Rolf Weber 115
blühende Pflanzen nachgewiesen werden. Dieser Bestand wuchs bis Mitte der 90ziger Jahre stetig an (311 blühende Exemplare 1993, 301 blühende Exemplare 1994). Danach fiel er rapide ab und 2011 konnten letztmalig 2 blühende Pflanzen beobachtet werden. Seitdem gilt
diese Sippe in ihrem ehemaligen Lebensraum als verschollen. Bereits im Jahr 2008 wurden mit Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde des Vogtlandkreises zwei Samenkapseln entnommen und an die Universität Marburg zur Anzucht übergeben. Mit dem
gewonnenen Samenmaterial erfolgte dann 2012 im Botanischen Garten Schellerhau erstmalig eine Frühjahrsaussaat, welche zu 29 Jungpflanzen führte. Ab dem Jahr 2013 erweiterte der Botanische Garten Schellerhau die Ex situ-Maßnahmen im Rahmen eines
Förderprojektes nach der Richtlinie Natürliches Erbe (Projektträger Förderverein für die Natur des Osterzgebirge e.V.), so dass auch noch heute genetisches Material der vogtländischen Sippe von dort zur Verfügung steht. Zwischenzeitlich verliefen leider mehrere Versuche, diese Sippe wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum anzusiedeln, erfolglos. Da die große Gefahr bestand/besteht, dass die Erhaltungskultur im Botanischen Garten Schellerhau eines Tages ausfällt, engagierte sich seit 2016 unsere Naturschutzvereinigung Pro Naturschutz Sachsen e.V. verstärkt für eine Wiederansiedlung in geeigneten Lebensräumen im Vogtland. Dazu wurde ein Projekt  »Schutz, Erhaltung und Entwicklung der Vorkommen des Sächsischen Fransen-Enzians (Gentianella germanica (WILLD.) BÖRNER ssp. saxonica HEMPEL) im Freistaat Sachsen« initiiert. Dieses Projekt wurde dann am 19.12.2018 seitens des Freistaates Sachsen im Rahmen der Förderrichtlinie Natürliches Erbe bewilligt und damit gefördert. Inhalt dieses Projektes ist die Ermittlung der ehemaligen Vorkommen der Sippe im Vogtland, die Erkundung von geeigneten potentiellen Lebensräumen und die Initiierung von Wiederansiedlungen mit den Samenbeständen, die im Botanischen Garten Schellerhau jährlich gewonnen werden. Das gesamte Projekt wird wissenschaftlich begleitet durch ökologische Untersuchungen, wie z.B. Bodenanalysen, pflanzensoziologische Erhebungen. Damit soll die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen geprüft und nachvollziehbar für weitere Aktivitäten dokumentiert werden. Seit 2017 wurden auf sechs verschiedenen Versuchsflächen jährlich Samen ausgebracht (2017: 15.000 Korn, 2018: 10.318 Korn, 2019: 62.290 Korn). Da die Pflanzen zweijährig sind, d.h. im ersten Jahr nur eine kleine Blattrosette erscheint, die dann im zweiten Jahr einen Blütenstängel entwickelt und nach der Samenreife abstirbt, war erst ab 2019 mit den ersten blühenden Pflanzen zu rechnen. Leider haben wir 2019 umsonst nach blühenden Pflanzen gesucht. Die Ursachen für das Nichtkeimen bzw. Nichtentwickeln des Blütensprosses ist sehr komplex. Auch bei vielen anderen Wiederansiedlungsversuchen von Klein-Enzianen ist der Erfolg nur sehr sporadisch, jede gelungene Ansamung ist daher als großer Erfolg zu werten. Unser Ziel ist es daher, im ehemaligen Verbreitungsgebiet dieser Sippe mehrere stabile Populationen aufzubauen, die wir dann eines Tages in die »Freiheit« entlassen können. Bis dahin ist aber noch einiges zu tun. Was macht nun den Sächsischen Fransen-Enzians so einzigartig, dass sich zahlreiche Menschen so intensiv um dessen Fortbestand bemühen? Wie der Name schon andeutet, ist die Sippe ein Endemit Sachsens, d.h. sie besitzt weltweit nur Vorkommen in Sachsen (die Zuordnung einiger Populationen in Nordbayern bedarf noch einer Überprüfung). Weiterhin stellt diese Sippe ein Relikt von vormals beweideten Magerrasen dar. Diese Lebensräume sind in den letzten Jahren/Jahrzehnten durch die Intensivierung der Landwirtschaft nahezu aus unseren Landschaften verschwunden. Eine Entwicklung, die den gesamten Naturhaushalt unserer Naturräume empfindlich stört. Eutrophierung und Vergiftung der Böden, Störung des Wasserhaushaltes und Zerstörung von Landschaftselementen sind die Ergebnisse dieser unsäglichen menschlichen Eingriffe in Natur und Landschaft. Die Erhaltung des Sächsischen Fransen-Enzians ist damit auch ein Gradmesser für einen sensiblen Umgang mit unserer Mitwelt. In diesem Sinne wollen wir auch weiterhin aktiv sein. Natürlich ist für ein solches Vorhaben die Mitwirkung vieler notwendig. Neben den oben
genannten unmittelbaren Akteuren benötigt dieses Projekt auch die Unterstützung der Menschen in diesen Gebieten, den Eigentümern und Pächtern der betroffenen Flächen und die zuständigen Behörden. Wollen wir die hellvioletten (nicht blauen) Blüten des Sächsischen Fransen-Enzians auch in Zukunft als Zeichen für intakte Naturräume bewundern, kann dies nur im Einklang mit allen geschehen. Zu weiteren Nachfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Riether
Landesvorsitzender Pro Naturschutz Sachsen e.V.

Pro Naturschutz Sachsen e.V.
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Fon: 03733 – 17 90 41
Fax: 03733 – 17 90 42
Mobil: 0170 – 169 00 69
E-mail: info@pro-naturschutz-sachsen.de
Internet: pro-naturschutz-sachsen.de

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