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Elsterradweg

Immer wieder erreichen uns Anfragen zum illegal gebauten Radweg bei Adorf. Zuletzt wollte eine Bürgerinitiative „Sachsen“ in einer Podiumsdiskussion mit verschiedenen Parteien das Thema offensichtlich wahlkampfpolitisch für sich nutzen. Als parteipolitisch unabhängige Organisation bürgerschaftlichen Engagements für die Belange des Natur- und Umweltschutzes kann sich die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. nicht an solchen Veranstaltungen beteiligen. Wir haben aber die Gelegenheit genutzt, die Radwegprotestler zur Thematik um den illegal gebauten Radweg und die juristischen Konsequenzen daraus zu informieren. Unsere E-Mail an die Bürgerinitiative Sachsen vom 26.03.2019.

Veranstaltung am 30.03.2019 Ihre Email vom 14.03.2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der GRÜNEN LIGA Sachsen e.V. danke ich Ihnen für die Einladung. Wie Sie sicherlich wissen, ist die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. eine bürgerschaftlich agierende, anerkannte private Naturschutzvereinigung, die parteipolitisch unabhängig ist. Die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. folgt ausschließlich fachlichen und rechtlichen Erwägungen auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Rechtsstaatprinzip.

Aus den Verlautbarungen Ihrer Organisation und der von der Thematik angesprochenen Sympathisanten u. a. aus den Reihen der CDU, der FDP, der Linken und der SPD erkennen wir einen wahlkampfpolitischen Hintergrund, der darauf abzielt, eine auf der Grundlage bestehender Gesetze getroffene rechtsstaatliche Entscheidung im Nachhinein in Frage zu stellen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass für eine solche Veranstaltung die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. nicht zur Verfügung stehen kann.

Gern können wir Auskunft zum Vorgang der vom Vogtlandkreis illegal gebauten Radweg- Straße im FFH-Gebiet „Elstertal oberhalb Plauen“ geben. In diesem Sinne haben wir im Folgenden ein paar wesentliche Fragestellungen und die dazugehörigen Antworten zusammengestellt.

1. Was ist ein FFH- Gebiet ?

Antwort: Die Mitgliedsstaaten haben mit der Gründung der Europäischen Union beschlossen, in Europa ein flächendeckendes Schutzgebietssystem für den Naturschutz im Allgemeinen und für den Biotop- und Artenschutz im Speziellen zu schaffen. FFH- Gebiete sind naturschutzrechtlich gesicherte Gebiete, in denen die europäischen Tiere und Pflanzen in ihren Lebensräumen geschützt werden sollen.

2. Wie erfolgte die Auswahl der FFH-Gebiete ?

Antwort: Die Mitgliedsländer haben auf der Grundlage naturschutzfachlicher Erwägungen die zum Schutz vorgesehenen Flächen ausgewählt und der EU gemeldet. Der Freistaat Sachsen hat auf seinem Territorium 270 FFH- Gebiete ermittelt, die jeweiligen Landkreise waren in diesem Flächen- Findungsprozess integriert.

3. Wie steht es mit menschlichen Nutzungsaktivitäten in einem solchen FFH-Gebiet ?

Antwort: Grundsätzlich gilt, dass die zum Zeitpunkt der Schutzgebietsausweisung vorhandene Nutzung im bisherigen Umfange zulässig ist. Eine Nutzungsintensivierung bzw. neue Nutzungen sind auf ihre Natur-Verträglichkeit hin zu prüfen. Wenn die naturschutzfachlichen Schutzgüter eines FFH- Gebiets beeinträchtigt werden können, ist eine Nutzungsintensivierung bzw. neue Nutzung unzulässig. Darüber hinaus sind die Mitgliedsstaaten angehalten, naturschutzfachlich störende Nutzungen, die zum Zeitpunkt der Schutzgebietsausweisung Bestand hatten, gegen Entschädigung bzw. Alternativangebote zurückzunehmen.

4. Gibt es Ausnahmen für Eingriffe in FFH-Gebiete ?

Antwort: Nur in ganz eng begrenzten Umfange sind Eingriffe in FFH-Gebieten möglich. Diese beschränken sich auf Gründe der Landesverteidigung und auf die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben.

5. Was heißt dies konkret für die illegal gebaute Radweg-Straße in der Elsteraue bei Adorf ?

Antwort: Zum Zeitpunkt der Schutzgebietsausweisung gab es lediglich einen unbefestigten Wiesenpfad in der Elsteraue bei Adorf. Ein unbefestigter Weg verlief entlang des Bahndamms nach Adorf. Der Bau eines touristischen Radweges stellt keine Maßnahme der Landesverteidigung oder zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben dar. Im Ergebnis ist deshalb zu schlussfolgern, dass die vom Vogtlandkreis realisierte Versiegelung und Verbreiterung dieses unbefestigten Pfades und die Aufschüttung eines Straßendammes in der Elsteraue bei Adorf einen nicht genehmigungsfähigen Eingriff in das FFH- Gebiet darstellt.

6. Welche Eingriffe sind mit dem illegalen Bau des Vogtlandkreises in der Elsteraue bei Adorf verbunden ?

Antwort: Von der illegalen Baumaßnahme wurden Teile des explizit an die EU gemeldeten Biotops (Lebensraumtyp 6510 Flachlandmähwiese, EU-Meldenummer 5538-301) zerstört. Die Radweg-Straße zerschneidet das ansich relativ schmale FFH- Gebiet „Elstertal oberhalb Plauen“ und stellt so eine Barriere mit erhöhter Tötungsgefahr für weniger mobile Tierarten dar. Die mit dem Wegeausbau verbundene touristische Nutzung und eine damit im Zusammenhang zu sehenden erheblichen Mehrfrequentierung des FFH- Gebietes widerspricht der Zielstellung einer dauerhaften Sicherung bzw. Aufwertung des Lebensraumes für Tiere (Störung durch Begängnis, Lärm, Licht usw.). Darüber hinaus schränkt die Radweg-Straße in der Elsteraue die Fließgewässerdynamik der Weißen Elster ein.

7. Kann man mit einer Ausgleichsmaßnahme diesen Eingriff im FFG-Gebiet „heilen“ ?

Antwort: Nein, dies sieht die FFH-Richtlinie nicht vor. Im Übrigen wäre dies auch in anderer Hinsicht ein fatales Signal an die rechtstreue Bürgerschaft, wenn ein Gesetzesbrecher letztendlich noch Erfolg mit seinem ungesetzlichen Tun hätte.

8. Ist der Vogtlandkreis nur wegen eines Formfehlers bei Gericht gescheitert, weil er keine Planung vorgelegt hatte ?

Antwort: Nein. Die fehlende Planung ist lediglich Anlass, nicht Ursache des Scheiterns bei Gericht. Wenn der Vogtlandkreis die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere des europäischen Naturschutzrechts richtig angewandt hätte, wäre er gar nicht auf die Idee gekommen, eine entsprechende Planung in Angriff zu nehmen geschweige denn im FFH- Gebiet ohne Planung „loszubauen“. Denn ein touristischer Radweg rechtfertigt keinen Eingriff in ein FFH- Gebiet (siehe Punkt 4) und es gibt mindestens eine Alternative (siehe Punkt 10).

9. Wäre der Rückbau der illegalen Radweg-Straße aus der Elsteraue nicht ein ebenso großer Eingriff in das FFH-Gebiet ?

Antwort: Nein. Die Beseitigung von Bausubstanz aus der Natur ist bei Renaturierungsmaßnahmen jeglicher Art üblich und ausdrücklich im Sinne des Naturschutzes. Dass dies naturverträglich erfolgt, ist Standard. Die Bitumendecke wird entfernt und ordnungsgemäß entsorgt, der Radweg-Straßendamm aus der Elsteraue beräumt und die Brücke abgetragen. Wenn ein Hochwasser Uferbefestigungen oder Wege wegspült, leidet die Natur ebenso wenig. Insofern kann der Rückbau des Schwarzbaus aus der Elsteraue mit einem Hochwasserereignis verglichen werden, in dessen Zuge der Natürlichkeitsgrad der Landschaft erhöht wird.

10. Gibt es Alternativtrassen für einen Radweg in Adorf ?

Antwort: Ja. In den 90er Jahren wurde bereits ein straßenbegleitender Radweg an der Elsterstraße nach Adorf gebaut. Der Vogtlandkreis hat den Weiterbau dieses straßenbegleitenden Radwegs im Gerichtsverfahren beim Oberverwaltungsgericht Bautzen selbst als realisierbare Variante eingebracht. Es sind keine Gründe erkennbar, die gegen diese Variante sprechen.

11. Ist es aber nicht unzumutbar, Menschen im Smog von einer Bundesstraße radeln zu lassen ?

Antwort: In der Regel leben alle Menschen in Europa an Straßen. Das Bundesverkehrsministerium fördert ausdrücklich den Bau straßenbegleitender Radwege. An der Elsterstraße verläuft bereits ein in den 90er Jahren mit staatlichen Fördermitteln gebauter Radweg. Diesen zu verbessern (siehe dazu auch Punkt 10.) könnte eine Aufgabe des Landratsamtes Vogtlandkreis sein. Wenn der Straßenverkehr durch Entflechtung der verschiedenen Verkehrsarten sicherer gemacht wird, ist dies sinnvoll und im Interesse der Verkehrsteilnehmer. Insofern man die moderne Mobilität nicht grundsätzlich in Frage stellt, sind der Straßenverkehr und seine damit verbundenen Immissionen täglicher Begleiter für fast jeden Menschen.

12. Durch das Radfahren kann CO2 eingespart werden – da müsste doch ein Radweg im FFH- Gebiet im Sinne des Naturschutzes sein ?

Antwort: Wenn der tägliche Weg zur Arbeit mittels Fahrrad zurückgelegt wird und das Auto dafür stehen bleibt, wird CO2 eingespart. Deshalb ist mit dem Bau von straßenbegleitenden Radwegen durchaus eine positive CO2-Bilanz verbunden. Bei touristischen Radwegen sieht die Bilanz dagegen anders aus. Touristische Radwegenetze werden angelegt, um möglichst viele Menschen in die Region zu holen. Sie haben insbesondere einen wirtschaftsfördernden Hintergrund mit dem Ziel der Stärkung des Gastronomie- und Hotelgewerbes. Touristen fahren in der Regel mit ihren Kraftfahrzeugen an den Ausgangspunkt der Fahrradtour. Je mehr touristische Radwege entstehen umso größer ist der Individualverkehr in die jeweiligen Regionen und umso ungünstiger ist die CO2-Bilanz. Der Elsterradweg ist ein touristischer Radweg. Aktivitäten zur Freizeitgestaltung rechtfertigen keine Eingriffe in ein FFH-Gebiet (siehe dazu auch Antwort unter Punkt 4).

13. Der Bau der Radweg-Straße bei Adorf hat bereits Geld gekostet – wer trägt dafür die Verantwortung ?

Antwort: Ausweislich der Beschilderung wurde der Bau von der EU gefördert. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist bei der EU die lllegalität der Baumaßnahme nicht bekannt (Stichwort Subventionsbetrug). Der Träger der Baumaßnahme (hier Vogtlandkreis) trägt die Verantwortung. Sollten Kommunalpolitiker und Kreisräte über das Vorhaben abgestimmt haben, sind auch sie bei Zustimmung verantwortlich.

14. Sind die Gerichte (Verwaltungsgericht Chemnitz, Oberverwaltungsgericht Bautzen, Bundesverwaltungsgericht Leipzig) oder die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. ,,Schuld“ an der Sperrung des Radwegs bei Adorf ?

Antwort: Nein. Das Urteil ist Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Der Vogtlandkreis trägt die Schuld dafür, dass im FFH- Gebiet eine nicht genehmigungsfähige Baumaßnahme erfolgt ist und ist entsprechend auch für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verantwortlich.

Anmerkung: Bereits 1922 hatte Kurt Tucholsky festgestellt: ,,lm übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“Ob und inwieweit diese Erkenntnis in der Gegenwart immer noch gilt, kann man auch an der Diskussion um den Schwarzbau einer Radweg-Straße im Elstertal beobachten.

Mit freundlichen Grüßen

gez. T. Mehnert
Vorsitzender der GRÜNE LIGA Sachsen e.V.

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