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Bürgermeister der Region Döbeln sauer: Gericht kippt Baurecht für Bobritzscher Becken

Kein Baurecht für das Bobritzscher Becken. Das hat das Verwaltungsgericht Chemnitz entschieden.

Die Bürgermeister der Region Döbeln erfreut das Urteil nicht. Anders die Naturschutzverbände. Sie hatten gegen das Vorhaben geklagt und nun gewonnen. Dabei geht es auch um die Frage, ob der Hochwasserschutz immer in Beton gegossen sein muss.

Mittelsachsen/Region Döbeln. Das war es jetzt erstmal mit dem Staudamm im mittelsächsischen Erzgebirge. Der sollte das Flüsschen Bobritzsch abriegeln. Und zwar dann, wenn der Pegel eine Höhe übersteigt, wie sie für ein Hochwasser typisch ist, das statistisch gesehen aller zwei Jahre vorkommt (HQ2). In der Region Döbeln schauen viele auf dieses geplante Schutzbecken, soll es doch auch den Pegel hierzulande senken. 2014 hatte die Landesdirektion Sachsen die Baugenehmigung erteilt. Doch die gilt dem Verwaltungsgericht Chemnitz nichts. „Der Planfeststellungsbeschluss der Landesdirektion Sachsen vom 16. Oktober 2014 betreffs den Neubau des Hochwasserrückhaltebeckens Oberbobritzsch an der Bobritzsch in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. März 2016 sowie der Protokollerklärungen in der mündlichen Verhandlung ist rechtswidrig und nicht vollziehbar“, teilt Richter Mark Artus, Pressesprecher des Verwaltungsgerichtes Chemnitz, auf Nachfrage der Döbelner Allgemeinen Zeitung mit. Die schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. Die Landesdirektion Sachsen als Verliererin des Rechtsstreites will nun erstmal abwarten, wie das Gericht das Urteil begründet. „Davon hängt es ab, ob wir Rechtsmittel einlegen“, sagt Behördensprecher Gunter Gerrick.

Bürgermeister der Region Döbeln nicht einverstanden

„Wir bedauern, dass die Entscheidung des Gerichtes gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens in Oberbobritzsch gefallen ist. Der Hochwasserschutz in Döbeln funktioniert nur im Verbund der Maßnahmen, die in Döbeln direkt umgesetzt werden sowie der beiden Hochwasserrückhaltebecken in Mulda und Oberbobritzsch. Die Rückhaltebecken sind sehr wichtig für unsere Stadt. Im Hochwasserfall würden sie bei uns die Wassermenge um etwa 20 Prozent reduzieren. Das können die entscheidenden Zentimeter sein“, sagt Döbelns Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU). Roßweins Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) zeigt sich verärgert über das Chemnitzer Urteil. „Da haben es einige Wenige geschafft, den Schutz der Natur über den Schutz vieler tausender Menschen zu stellen.“ Obwohl er der Entscheidung einen kleinen positiven Aspekt abringen kann, findet er sie in der Gesamtheit „schlimm“. Das Becken hätte für Roßwein im Zusammenspiel mit geplanten Flutschutzmauern funktioniert. Vom Vorhaben, diese zu bauen, hatte sich die LTV aber nach Protesten aus der Stadt verabschiedet. „Der Bau hätte viel Geld gekostet, das wir nun sparen. Zumal sich das Schutzziel nicht vollkommen erreichen lässt“, sagt Veit Lindner.

Naturschützer Mehnert fordert Umdenken beim Hochwasserschutz

Gegen das Baurecht für das mittlerweile 50 Millionen Euro teure Vorhaben hatten die Naturschutzverbände Grüne Liga Sachsen und der Naturschutzverband Sachsen geklagt. Vorsitzender beider Verbände ist Tobias Mehnert. Ihn fragte die DAZ, weshalb er den Döbelnern und Roßweinern unbedingt mit allen Mitteln den Hochwasserschutz verderben will? „Die Stadt Döbeln bekommt einen funktionierenden Hochwasserschutz“, sagt Tobias Mehnert mit Blick auf die Mauern und das neue Verteilerwehr, das die Landestalsperrenverwaltung hat bauen lassen beziehungsweise noch bauen lässt. „Berechnungen der LTV haben ergeben, dass das Becken den Pegel in Döbeln um 17 Zentimeter senken würde. Da kann man auch drei Ziegelschichten auf die Mauern setzen, um das abzufangen“, sagt Tobias Mehnert. Nach seinen Worten muss der Hochwasserschutz in der Fläche ansetzen. Lieber viele kleine Rückhaltebecken in den Feldfluren statt weniger Großer. „Das Becken in Oberbobritzsch springt bei HQ2 an und reguliert schon jedes kleinere Hochwasser raus. Dabei sind diese wichtig für die Ökologie. Mit diesem antiquierten Vorgehen wird die LTV der Wasserrahmenrichtlinie der EU nicht gerecht werden können, bei der es darum geht, ökologisch wertvolle Fließgewässer zu sichern“, sagt der Naturschützer. Er fordert ein Umdenken und eine Abkehr vom überwiegend technischen Hochwasserschutz mit Mauern und Dämmen.

Landestalsperrenverwaltung hält am Bobritzscher Becken fest

Auf diesen setzt die LTV aber weiterhin. Sie gibt das Bobritzsch-Becken nicht auf und will weiter dafür kämpfen. „Das Gericht ist nicht dem Hauptantrag der Kläger gefolgt, den Planfeststellungsbeschluss wegen grundsätzlicher Mängel aufzuheben. Insoweit wurde die Klage abgewiesen. Damit hat der Beschluss weiterhin Bestand. Vom Gericht festgestellte Mängel können geheilt werden und der Planfeststellungsbeschluss wird dann wieder Vollziehbarkeit erlangen. Die LTV hält vor diesem Hintergrund an der grundsätzlichen Entscheidung zum Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Oberbobritzsch fest“, sagt LTV-Sprecherin Britta Andreas. Tobias Mehnert wendet ein, dass es praktisch noch nie vorgekommen ist, dass ein Verwaltungsgericht den ganzen Beschluss aufgehoben hat. Für ihn ist die LTV-Aussage zweckoptimistisches Wunschdenken.

Der Damm in Oberbobritzsch würde den Mulde-Zufluss Bobritzsch bei Starkregen zu einem 4,9 Millionen Kubikmeter großen Kunstsee stauen. Noch gigantischer mutet das Vorhaben in Mulda an. Hier soll ein 27 Meter hoher Damm entstehen, der die Fluten des Dorfchemnitz-Baches zurückhält, der ebenfalls in die Mulde mündet. Auch dieses Becken preist die LTV als bedeutsam für den Hochwasserschutz in Döbeln. Dafür gibt es aber noch kein Baurecht. „Das Hochwasserrückhaltebecken Mulda befindet sich derzeit im Planfeststellungsverfahren“, so LTV-Sprecherin Britta Andreas.

 

Kommentar: Naturschutz ist Menschenschutz

In Döbeln und Umgebung gibt es Kritik an der gerichtlichen Entscheidung zum Rückhaltebecken bei Oberbobritzsch. Der Schutz der Natur vor baulichen Eingriffen ist wichtiger, als der Schutz von Menschen – deren Hab und Gut, deren Infrastruktur – vor drohendem Hochwasser. So einfach dürfte die Argumentation vieler Befürworter der Rückhaltebecken sein.

Doch so einfach ist es nicht, wie die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zeigt. Was genau die Kammer zu einer Ablehnung des Beckenbaus an der Bobritzsch bewogen hat, muss die Urteilsbegründung noch zeigen. Doch die Richter haben gewiss gut abgewogen.

Es gibt Fragen, die sich bei solchen Themen – ob Waldschlösschenbrücke, Radweg im Striegistal oder Rückhaltebecken im Erzgebirge – grundsätzlich aufdrängen: Warum versuchen, gerade auch öffentliche Träger, immer wieder Bauprojekte in Gebieten anzuschieben, von denen bekannt ist, dass sie unter Natur- oder einem anderen Schutz stehen? Warum nimmt man in Kauf, dass jahrelange Planungen nach jahrelangen Rechtsstreiten im Sande verlaufen? Gibt es von vornherein keine besseren Lösungen? Denn Fakt ist in Zeiten von Klimawandel, Flächenversieglung und Treibhausgasen: Naturschutz ist auch Menschenschutz. Olaf Büchel

Quelle:// LVZ Regionalausgabe Döbeln vom 05.04.2018/ Autor: Dirk Wurzel

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