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Regenrückhaltebecken: Gericht stuft Planung als rechtswidrig ein

OBERBOBRITZSCH- Für die Landestalsperrenverwaltung ist das geplante Hochwasser-Rückhaltebecken bei Oberbobritzsch

zusammen mit einem weiteren Becken bei Mulda ein Bollwerk, das bis Döbeln tausende Menschen sowie Güter im Wert Hunderter Millionen Euro vor den Fluten eines hundertjährigen Hochwassers schützen soll. Grund genug, einen Eingriff in ein Naturschutzgebiet zu rechtfertigen. Naturschützer aber sehen in dem 500 Meter langen, 17 Meter hohen und 50 Millionen Euro teuren Bau einen – auch für den Hochwasserschutz – überflüssigen Frevel an der Natur.

Nun fuhren sie einen ersten Sieg ein. Das Verwaltungsgericht Chemnitz stuft den 2014 ergangenen Planfeststellungsbeschluss, der eigentlich Baurecht schaffen sollte, als rechtswidrig und nicht vollziehbar ein. Das Verfahren hatten die Grüne Liga Sachsen und der Naturschutzverband Sachsen angestrengt. Deren Antrag, die Planfeststellung komplett aufzuheben, folgte die zuständige Kammer indes nicht. Eine Begründung wird erst für die kommenden Wochen erwartet. Das macht es schwer, die Folgen des Urteils genau abzusehen. Denn dass der erste Planfeststellungsbeschlussrechtliche Mängel hatte, ist der zu-ständigen Landesdirektion Sachsen bewusst. Also besserte die Behörde nach. So wurde ein vorher enthaltener Steinbruch, der Material für den Dammbau liefern soll, ausgeklammert. Die geänderten Pläne lagen bis 27. März in den betroffenen Orten aus. Einwände können bis 27. April geltend gemacht werden. Ob die Richter auch den neuen Plänen Mängel attestieren, kann erst die Urteilsbegründung zeigen.

Martin Gellermann, Anwalt der Naturschutzverbände, spricht von einem 95-Prozent-Sieg für seine Klienten. Es sei denkbar, dass das Urteil auf die geänderten Planungen Einfluss habe. Gellermann nennt den Steinbruch als Beispiel. Der wurde in der bisherigen Planung als künftiger neuer Lebensraum eingestuft. Entfalle der Steinbruch aus dem Planungsverfahren, gebe es ein Defizit bei den geforderten Ausgleichsmaßnamen. Anderseits erlaube das Urteil grundsätzlich, Mängel in einemergänzenden Verfahren zu beheben. Darauf setzt die Landestalsperrenverwaltung. Das Gericht sei dem Hauptantrag, den Planfeststellungsbeschluss wegen grundsätzlicher Mängel aufzuheben, nicht gefolgt, begründet eine Sprecherin. Also habe der Beschluss Bestand, könnten Mängel geheilt werden. „Die Landestalsperrenverwaltung hält vor diesem Hintergrund an der grundsätzlichen Entscheidung zum Bau der Hochwasserrückhaltebecken Oberbobritzsch und Mulda einschließlich Überleitungsstollen fest.“ Auch für die Landesdirektion ergeben sich bislang „keine Folgen für das Änderungsverfahren oder den möglichen Baubeginn des Beckens“, erklärt ein Sprecher.

Tobias Mehnert, Chef beider Kläger-Vereine, zeigt sich dennoch zufrieden. Dass ein Planfeststellungsbeschluss komplett aufgehoben werde, sei in der Praxis noch nie vorgekommen, sagt er. Ziel der Verbände ist gleichwohl nicht die rechtssichere und umweltverträgliche Planung. Sie fordern einen Paradigmenwechsel beim Hochwasserschutz – ohne Dämme oder Mauern.

Ein Sieg für David.

Niemand außer die zuständigen Richter wissen bis dato, was genau sie an den Planungen des Hochwasserschutzbeckens Oberbobritzsch bemängeln. Fraglos bedeutet das Urteil aber eine Niederlage für den Freistaat. Schon finanziell: Der Freistaat allein trägt die Kosten des Verfahrens.

Wer die mündliche Verhandlung vorm Verwaltungsgericht Mitte März verfolgt hat, erahnt die Dimension der Niederlage. Auf der einen Seite zwei kleine Naturschutzverbände, vertreten von ein und demselben Vorsitzenden, der Kassenwärtin, einem Anwalt, zwei Sachverständigen. Auf der anderen Seite die Landesdirektion und Landestalsperrenverwaltung samt Anwalt und einer Vielzahl an Mitarbeitern, Gutachtern, Planern externer Büros.

Doch diese zahlenmäßige Übermacht von Fachleuten des Freistaats schaffte es nicht, das Gericht von der Rechtmäßigkeit des Planfeststel-lungsverfahren zu überzeugen. Das weckt Zweifel an der Kompetenz oder der Gewissenhaftigkeit der hiesigen Planungsbehörden. Man möchte lieber nicht darüber nachgrübeln, was schlimmer wäre.

Quelle:// Freie Presse Regionalausgabe Freiberg vom 05.04.2018 / Autor: Frank Hommel

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