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Naturschutz beim Sachsenforst: "Wie die Axt im Walde"

Der Staatsbetrieb soll im Zellwald den streng geschützten Schwarzstorch vergrämt haben, sagen Umweltaktivisten. Die Behörden streiten das ab.

Quelle:// Freie Presse/  Ausgabe Freiberg vom 07.07.2016/ Autor Steffen Jankowski

Grossvoigtsberg. Ein jahrzehntelang von Schwarzstörchen genutzter Horst im Zellwald liegt dieses Jahr verwaist. Nicht weit davon werden bei Reichenbach Tiere dieser streng geschützten Art gesichtet, die offenbar keinen Nachwuchs füttern müssen. Für Naturschützer Tobias Mehnert ist der Zusammenhang klar: „Die Vögel sind vergrämt worden und haben nicht gebrütet.“

Die Schuld dafür liegt nach Meinung des Vorsitzenden der Grünen Liga Sachsen beim Sachsenforst. Der Staatsbetrieb hatte im Winter bis auf etwa 100 Meter an den Horstbaum heran einen Kahlschlag angelegt. Das habe den sehr scheuen Vogel bei seiner Rückkehr aus dem Süden im März davon abgehalten, das Nest zu besetzen. „In diesem sensiblen Bereich hat der Sachsenforst Naturschutz wie die Axt im Walde betrieben“, urteilt Mehnert.

Warum wurde so in dem Areal vorgegangen, das bereits zu DDR-Zeiten als „strenges Reservat“ galt und heute unter mehrfachem Schutz als Natur- und Vogelschutzgebiet sowie Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet) steht? Die Angaben von Sachsenforst und Unterer Naturschutzbehörde dazu sind widersprüchlich.

So erklärt Sachsenforst-Sprecher Klaus Kühling: „Kleinflächige Kahlhiebe bilden das Regelverfahren zum Waldumbau bei instabilen Fichtenaltbeständen auf wechselfeuchten Böden.“ Der Zellwald bestehe zu 90 Prozent aus schweren Böden, die zur Vernässung neigen. Fichten seien hier sehr instabil; sie knickten bei Stürmen teils um wie Streichhölzer und seien sehr anfällig gegenüber dem Borkenkäfer. Besser geeignet seien Eiche, Rotbuche, Bergahorn und Weißtanne, so der Diplom-Forstingenieur.

Statt des Kahlschlags war jedoch ursprünglich nur eine Auslichtung mit sukzessivem Baumartwechsel – ein sogenannter Femelhieb – vorgesehen, wie aus einem Schreiben von Udo Seifert aus dem Landratsamt hervorgeht. Die Festlegung sei erst am 17. Dezember bei einem Vor-Ort-Termin geändert worden, räumt der Referatsleiter für Naturschutz weiter ein. Dabei sei eingeschätzt worden, dass der Kahlschlag keine Gefahr für den Horststandort darstelle, da zwischen Horst und Kahlschlageine ausreichende Baumkulisse bleibe.

Ebenfalls merkwürdig: Laut Landratsamt wurden ehrenamtliche Fachleute bei der Planänderung hinzugezogen. Der zuständige Gebietsbetreuer ist Dieter Hergott, sein Sohn Thomas gilt laut Landesamt für Umwelt, Geologie und Landwirtschaft als Artspezialist für den Schwarzstorch im ehemaligen Regierungsbezirk Chemnitz. Aber: Beide wurden nach eigenen Aussagen nicht konsultiert.

„Wir hätten uns mit Händen und Füßen gegen den Kahlschlag gewehrt“, sagt Hergott senior. Die erste Brut sei 1984 festgestellt und danach eine 300-Meter-Schutzzone um den Horstbaum gezogen worden. Jahrzehntelang sei es gelungen, die Vögel ungestört zu lassen, so Dieter Hergott: „Der ganze Ärger jetzt hätte vermieden werden können, wenn man mit uns geredet hätte.“

Thomas Hergott erstattete sogar Anzeige beim Landratsamt: „Ich sehe in dem Vorgehen des Staatsbetriebs Sachsenforst einen schweren, weil vorsätzlichen Verstoß gegen die Zugriffsverbote des Bundesnaturschutzgesetzes“, heißt es in dem Schreiben. Daraufhin wurde angeordnet, das Fällen und Holzrücken bis Ende Februar abzuschließen und die Wiederaufforstung und die Instandsetzung der Wege erst im Herbst zu beginnen. Eine „konsequente Ahndung der Verstöße“, wie von Hergott junior gefordert, gab es nicht – die Untere Naturschutzbehörde in der Kreisverwaltung hatte dem Kahlschlag ja zugestimmt.

In ihrer Kritik lassen sich Vater und Sohn auch nicht dadurch besänftigen, dass am anderen Ende des Zellwaldes ein neuer Schwarzstorchhorst mit Jungen entdeckt worden ist. Ob es sich um das gleiche Elternpaar handele, ist laut Thomas Hergott „nicht hundertprozentig feststellbar“. Er tendiere aber zu der Annahme, dass es andere Tiere sind – auch wegen der Schwarzstörche von Reichenbach, die offenkundig Nichtbrüter seien. Grüne-Liga-Chef Mehnert hat die Schwarzstorch-Kritik am Sachsenforst auf der jüngsten Sitzung des Landesnaturschutzbeirats thematisiert. Angesichts der schätzungsweise nur 40 bis 60 Schwarzstorch-Brutpaare in ganz Sachsen fordert Mehnert, um die Horste Tabuzonen auszuweisen und in diesen per Dienstanweisung Holzernten zu verbieten. Dem Sachsenforst falle per Gesetz eine Vorbildrolle beim Naturschutz zu, so der Chef der Dachorganisation von Umweltinitiativen in Sachsen: „Dafür stellt ihm der Freistaat auch viel Geld zur Verfügung.“

Dieses Jahr erhalte der Staatsbetrieb 19,3 Millionen Euro für Schutz- und Sanierungsmaßnahmen, bestätigt Klaus Kühling. Die Kollegen im Forstbezirk Chemnitz hätten nicht den Eindruck, dass der Schwarzstorch sich aus dem Landeswald zurückziehe, zitiert der Sachsenforst-Sprecher den dortigen Leiter Rolf-Dieter Richter: „Vielmehr sind wir der Überzeugung, dass es uns aufgrund der multifunktionalen Forstwirtschaft immer besser gelingt, die vielfältigen Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen.“

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