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Hochwasserschutz in Sachsen – unzeitgemäß und uneffektiv

Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz fordert Nachhaltigkeit und Effizienz

Vor dem Hintergrund der Hochwasserereignisse des Jahres 2013 kritisiert die Landesarbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände Sachsens den in erster Linie auf technische Maßnahmen ausgerichteten Hochwasserschutz in Sachsen und fordert einen zeitgemäßen effizienten Hochwasserschutz. Höhere Mauern und Deiche, so die Meinung der Verbände, sind der falsche Lösungsansatz.

Unmittelbar nach dem Flutereignis 2002 hat man in Sachsen damit begonnen, Hochwasserschutzkonzeptionen zu erstellen. Dabei ging man von einem Ausmaß der Überschwemmungen aus, wie es – statistisch gesehen – alle hundert Jahre festzustellen ist. Doch dieser Weg führt eindeutig an den Realitäten vorbei. Denn schon in den Folgejahren, 2006, 2010 und insbesondere 2013, kam es zu weiteren Überschwemmungen, die zum Teil das Ausmaß eines solchen Jahrhunderthochwassers hatten. Wissenschaftler sagen zudem voraus, dass mit solchen sogenannten Starkregenereignissen künftig häufiger zu rechnen sein wird. Die Gefahren gehen dabei nicht so sehr von den großen Flüssen aus, sondern von den vielen kleineren Zuflüssen, für die oftmals die Kommunen zuständig sind.

Es hat sich gezeigt, dass die Strategie, vorwiegend auf kostenintensive technische Ausbaumaßnahmen im und am Gewässer zu setzen, ungeeignet ist und allenfalls der Konjunkturbelebung für die Bauindustrie dient. Ein wirksamer Hochwasserschutz muss in den Quellbereichen der Zuflüsse und den Hochwasserentstehungsgebieten beginnen und neben einzelnen Mauern und Deichen vor allem Maßnahmen beinhalten, die den Fließgewässern mehr Raum geben.

Es ist eine wissenschaftlich belegte Tatsache, dass mit der Höhe des Deiches das Schadenspotenzial wächst und sogar unkalkulierbar wird. Lokal mag die Deicherhöhung eine kurzfristige Problemlösung darstellen, langfristig sei sie aber immer der schlechteste Weg. Denn höhere Deiche beschleunigen den Fluss und verstärken das Hochwasser flussabwärts; das haben dann die betreffenden Anlieger – im Wortsinn – auszubaden.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der anerkannten Naturschutzverbände fordert deshalb eine schnelle Korrektur der aktuellen Strategien für den Hochwasserschutz. Dabei muss die breite Öffentlichkeit noch stärker einbezogen werden. Bei wesentlich mehr Überflutungsflächen als bisher würden die Hochwasserscheitel reduziert und das Hochwasserrisiko für in Flussnähe liegende Siedlungen und Industriegebiete deutlich verringert. In diesen Strategien müssen – beginnend bei den Hochwasserentstehungsgebieten, dann für Gewässer 2. und schließlich für Gewässer 1. Ordnung – Maßnahmen festlegt werden, die, entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie der EU, einem guten ökologischen Zustand aller Oberflächenwasserkörper und zugleich einem wirksamen Hochwasserschutz dienen.

Inhalte einer solchen Strategie wären insbesondere:

  1. der Rückbau der Melioration in Quellgebieten, um ihrer Funktion gerecht zu werden, Wasser aufzunehmen und zeitverzögert abzugeben,
  2. die vorrangige Umsetzung von Waldmehrungsprojekten in Hochwasserentstehungsgebieten und geeigneten Auenbereichen,
  3. die Grundsteuerbefreiung für unbewirtschafteten Wald (Wildnis),
  4. das Verschließen von Entwässerungsgräben zur schrittweisen Anpassung der gegenwärtigen Bewirtschaftung an die natürlichen Standortverhältnisse,
  5. die Anpassung der Agrar-Förderprogramme an die Anforderungen des Hochwasserschutzes,
  6. die Renaturierung von Fließgewässern und deren Auen einschließlich des Rückbaus von Deichen und fließgewässernahen Industriebrachen,
  7. der vollständige Rückbau von nicht benötigten Querverbauungen und
  8. keine neuen Genehmigungen für Kleinwasserkraftanlagen
  9. Entwicklung von Fonds zur besseren Entschädigung von Landeigentümer bei Zwangsentnahme von Flächen im Überflutungsraum

Eine solche Hochwasserstrategie könnte damit interdisziplinär neben den Belangen des Hochwasserschutzes das Sächsische Waldmehrungsprogramm, die notwendige Umstrukturierung der Landwirtschaft einschließlich der Entlastung des Agrarmarktes sowie die Biodiversitätsstrategie Deutschlands umsetzen.

Die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz sind bereit, sich – wo immer möglich – im Interesse eines nachhaltigen, effizienten und für den Steuerzahler akzeptablen Hochwasserschutzes in die Planungen einzubringen.

Von Seiten einiger Politiker wurde die Forderung geäußert, die Rechte der anerkannten Naturschutzvereinigungen im Rahmen der Verfahrensbeteiligungen zu beschneiden. Dem wird widersprochen – gerade eine möglichst frühzeitige und umfassende Beteiligung kann dazu beitragen, Probleme zu lösen. Unabhängig davon sind die Rechte der Naturschutzvereinigungen in der letzten Zeit durch die Rechtsprechung des EuGH nochmals gestärkt worden.

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